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Gretl IV

Die Geschichte der GRETL IV

Vor mir steht das 7 cm lange Holzmodell der Gretl IV. Das dürfte etwa 1947/48 entstanden sein. Der Künstler war ein Verehrer meiner Schwester Ursel, die damals 18 oder 19 Jahre alt war. „Haben Sie nicht Lust, mit Segeln zu kommen“, so wird sie ihn gelockt haben. Mit den gleichen Worten habe ich im Jahre 1961 um meine Frau geworben, mit der ich noch heute verheiratet bin.

Die Geschichte von Schiffen und Booten ist immer auch die Geschichte von Menschen. Die Gretl IV hat für unsere Familie eine sehr große Bedeutung und deshalb schreibe ich diese Zeilen gerne für Sie. Ich verdanke vermutlich meine Entstehung einer Nacht in einer Bucht des Templiner Sees bei Potsdam. Als ich 14 Tage alt war, soll ich meinen ersten Kontakt mit dem Jollenkreuzer gemacht haben.

Der 20m² Jollenkreuzer dürfte mit ziemlicher Sicherheit 1927 gebaut worden sein. Kein Papier belegt das mehr. Gebaut bei Berkholz und Gärsch in Friedrichshagen bei Köpenick. Kennnummer ursprünglich Z 98, später R 98. Dort wurde wohl etwas später auch der Jollenkreuzer von Albert Einstein gebaut. Meine Mutter Margarete, genannt Gretl, war Namensgeberin und Taufpatin des Bootes. Man soll zu meinem Vater Paul Heycke gesagt haben, „wenn Sie das Boot aus Zedernholz bauen, wird es nur 15 Jahre halten.“ Mein Vater war nämlich sowohl Touren- und Wandersegler als auch Regattafan. Die Bereiche Templiner See, Schwielowsee und Großer Zernsee waren seine Regattareviere. Einige seiner gewonnenen Preise sind noch heute in meinem Besitz. So zum Beispiel Teegläser, aus denen meine Frau und ich fast jeden Tag trinken. Im ganzen Revier gab es angeblich nur einen ernstzunehmenden Regatta-Konkurrenten, nämlich meinen Vater. Und der war zumeist Erster.

Die Urlaubsreisen führten uns regelmäßig in den Brandenburger Raum. Auf dem Riewendsee habe ich schwimmen gelernt. Das weiteste Fahrtziel war Ferchesar nördlich von Brandenburg.

Es war das vierte Boot meines Vaters, nach einem Nationalen 45iger Seekreuzer (P 8) und einer H-Jolle (H 127). (Zu dieser H-Jolle muss ich einen Einschub machen. Das Boot war von Paul an seinen Schwager Herrmann Sauer verkauft worden und später nach außerhalb. Der Enkel von Herrmann Sauer, Jürgen Sauer, jetzt immerhin auch schon 67 Jahre alt, war neulich am Dümmer und entdeckte das ehemalige Boot. Er sprach den jungen Eigner an und der sagte, er habe die Jolle von seinem Vater aus Bayern erhalten. Jürgen erklärte ihm, dass im flachen Vorschiff, in das man nur kriechend rein konnte, an einer Spante ein Spielzeugauto kleben müsste, das er 1946 dort angebracht hatte. Er durfte reinklettern und fand das kleine Auto tatsächlich.)




Der Liegeplatz der Gretl IV war in Potsdam der VPRS - Verein Potsdamer Rennsegler - auf der Unteren Planitzinsel. Über diese Insel führt die Eisenbahnlinie nach Magdeburg und aus unseren Schlafkojen heraus hörten wir damals jeden Zug, der über uns durchratterte. Auf der Rückseite dieser Insel ist die Neustädter Havelbucht, an deren Ufer das Pumpwerk für Sansscouci im maurischen Stil steht. Wassertechnisch gehört diese Insel zum Templiner See. Damals war die Havel an der Fähre Tornow durch sehr flach hängende Elektrodrähte behindert. Man musste
jedes Mal die Gaffel dippen, um durchzukommen, aber immerhin nicht den Mast legen, was bei der Gretl IV nicht so ganz einfach ist. Weiter kommt man dann am Dorf Caputh vorbei, dem Wohnort Einsteins. Meine Mutter hat ihn mehrfach segeln sehen. Wenn er eine Idee hatte, so erzählte man sich damals unter Potsdamer Seglern, fuhr er einfach ins Schilf hinein und ließ die Segel flattern. Meine Mutter berichtete uns Kindern, dass wohl ein Zahnarzt (aus Babelsberg ?) nach Einsteins Flucht aus Deutschland sein Boot erstanden haben soll, mit dem Hinweis auf seine Linientreue zu den Nazis. Das Boot hat seinerzeit einige tausend Reichsmark gekostet, was doch eine ganze Menge Geld war. Segeln war damals Luxus oder Spleen.

Weiter geht es über die Seilfähre Caputh, die unter Wasserfahrern berüchtigt war, weil sich der Fährmann, jetzt in der 4. Generation, einen Spaß daraus machte, so anzufahren, dass die Skipper Angst haben mussten, auf das sich spannende Seil zu stoßen. Wir hatten zwar damals einen Außenborder KÖNIG 3 PS, aber der war sehr unzuverlässig. Und so wurde nach Leibeskräften gepaddelt, um aus der vermeintlichen Gefahrenzone zu kommen - durch das Kanalstück bis zur Caputher Eisenbahnbrücke. Die war in Jahren bis 195o noch gesprengt und wir konnten geschickt durch die zerstörten und beängstigend herausragenden Eisenträger durchsegeln. Die Durchfahrt war höchstens 20 m breit.

Dahinter kommt der herrliche Schwielowsee, wo wir die Löcknitz ansteuerten. Ein Baggerloch der ehemaligen Ziegelei. Dort bin ich im Sommer aufgewachsen. Wir haben damals einen Holzsack dabei gehabt und kochten uns unser Essen auf vier Ziegelsteinen. Zu dieser Zeit war mein leiblicher Vater Paul schon tot und ich hatte einen Stiefvater, der als alter Sportler schnell zu einem Segler wurde. Den Krieg hat das Boot gut versteckt in einem Holzschuppen nahe Potsdam gut überstanden. Bis auf ein paar Einschüsse im Kajütaufbau und vorne neben dem Steven, dessen Spuren sicher auch heute noch zu sehen sind, ist alles gutgegangen.

Übrigens wurde das Boot in der wilden Nachkriegszeit einmal gestohlen. Die Steganlage war mit zwei schweren schwimmenden Holzbalken gesichert, die man erst umständlich wegschieben musste. Wir nahmen auch jedes Mal das Ruder heraus, um den Diebstahl zu erschweren. Und das hat auch funktioniert, denn als das Verschwinden vom Werfteigner Gutewort entdeckt wurde, fuhr die Wasserschutzpolizei los und die Diebe hatten große Schwierigkeiten, die Gretl IV auf Kurs zu halten und kamen deshalb mit den Riemen nicht weit.





Der Jollenkreuzer war für uns damals ein wichtiger Anker für das Überleben. Der Vater war im Krieg geblieben und die beiden Frauen hatten im Sommer einen Fluchtpunkt vor dem ganzen Jammer von Hunger und Berliner Trümmern. Schon 1946 trauten sich meine Mutter und meine Schwester wieder aufs Wasser. Damals war es an der Tagesordnung, dass die Russen mit Handgranaten fischten, dass sie schwimmend unser Boot enterten u. ähnliche für uns heute schwer vorstellbare Scherze. Es ist schon ein Wunder, das in dieser Zeit nicht schlimme Dinge mit uns passiert sind. In Erinnerung ist noch eine Szene aus dem Jahre 1944: Wir lagen in Poeben nördlich von Werder/Havel. In der mondhellen Nacht fand ein schwerer Luftangriff auf Potsdam statt. Alles musste verdunkelt sein, damit kein Lichtschein die Bomber hätte anlocken können. Wütende Dorfbewohner bedrohten uns, weil sie der Meinung waren, dass wir Licht in der Kajüte brennen hätten. Das war aber eine optische Täuschung; das Mondlicht spiegelte sich im Metall der verchromten Bullaugen.

1952, ich war 12 Jahre alt, wurden wir aus dem Paradies vertrieben, die Ostzone wurde für Westberliner gesperrt. Die Mauer kam ja erst 1961. Wir verlegten uns auf die Bootswerft Horst Ruhs, Straße am Wannsee, ein Stück neben dem VSAW.
Damals war es kaum möglich, in einen Westberliner Segelverein aufgenommen zu werden. Wir verbrachten nach wie vor jedes Wochenende auf dem Boot und zwar zu fünft: Mutter Margarete, meine Schwester Ursel, ihr Mann Claus Bache, ich und später noch Christel, meine damalige Freundin und Verlobte. Mit so einer Enge auf so wenig Raum würde man heute nicht mehr leben können und wollen. Unsere Lieblingsstelle war (und ist heute für meinen Sohn Robert) eine Badestelle gegenüber der Pfaueninsel, die für Kinder geradezu ideal ist.

Gretl IV wurde von uns jedes Jahr neu lackiert, das Unterwasserschiff geschliffen und mit Kupfer gestrichen, bis die Augen durch das Gift zugequollen waren. Mein Gott, was waren wir damals unwissend und leichtsinnig !

Eben komme ich von der Mairegatta in unserem Verein und wir haben eine spektakuläre Kenterung eines Jollenkreuzers erlebt. Wir haben die GRETL IV niemals umgeworfen. Man muss sie immer aus der Hand fahren. Aber Unfälle gab es schon: Eine Freundin meiner Schwester Ursel, ein zartes Geschöpf bekam den Baum an den Kopf und landete im Wasser. Dasselbe passierte meiner damaligen Freundin Christel bei einem Gewittersturm auf dem Wannsee und sie fiel fast besinnungslos in die Plicht. Die Genua riss aus den Lieken und flog waagerecht über den See. An einem besinnlichen Sonntagnachmittag schipperten wir genüsslich über den Wannsee bei 1-2 Beaufort. Plötzlich erkannte ich vor mir einen Angelkahn (auf der Gretl IV kann man schlecht nach vorn sehen), riss das Boot herum und versuchte mit der Hand den Zusammenstoß zu vermeiden. Das gelang zwar, aber mein rechter Daumen wurde dabei zerquetscht. Ich kam in ein Krankenhaus, das damals in der Liebermann-Villa am Wannsee untergebracht war.



Dort ist gerade vor zwei Tagen das Liebermann-Museum eröffnet worden. Ich lag dort 14 Tage, eine Amputation konnte gerade noch vermieden werden.


1969 kam die Gretl auf den Ratzeburger See zur Werft von Ede Döhring. Dort ist heute die Dampferanlegestelle. Da wir inzwischen zwei Söhne bekommen hatten, wurde die Gretl IV zu klein und wir verkauften sie an einen Schuhhändler aus Schwarzenbek. Der ist inzwischen verstorben, aber er hat das Boot geliebt. Durch den nachfolgenden Besitzer wurde das ursprüngliche Leinendeck, das jedes Jahr gestrichen werden musste, durch ein Teakdeck ersetzt. Der Name dieses Eigners ist mir nicht mehr bekannt.

Das Boot hat viel mitgemacht. Es stand wohl einige Zeit in Kühsen beim Bootsbauer Döhring, dem Sohn des alten Ede Döhring. Dort hat es ein BMW erwischt, der in das Werftgelände gedonnert war und das Boot wurde umgeworfen. Aber viel war wohl nicht passiert.




Einschub Günther Montag am 10. Mai 2005:

Von unserem Bootsbauer hatte ich erfahren, dass bereits in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts große Regatten mit Jollenkreuzern auf dem Ratzeburger See ausgetragen wurden. Er erzählte mir, sein Vater, der alte Sager, habe ihm gesagt, dass auch viele Berliner zu den ausgeschriebenen Regatten nach Ratzeburg angereist seien – zum Teil unter abenteuerlichen Umständen. Nun muss man wissen, die Trailergespanne zur damaligen Zeit unterschieden sich doch erheblich von den heutigen modernen Transportmitteln. Dennoch scheuten die richtigen regattabegeisterten Segler keine Mühe, dorthin zu gelangen. Diese Regatten sind zum Teil noch in Text und Bild dokumentarisch in Archiven festgehalten. Es gilt als gesichert: die Urheimat der Jollenkreuzer waren die Märkischen Seen.
Es ist aber auch belegt, dass die Segelkultur mit Jollenkreuzern in Norddeutschland Verbreitung fanden.

Für mich war es von Anfang an wichtig zu erfahren, welchen Weg speziell unser Jollenkreuzer genommen hat. Dank Karl Heinz Sager, Bootsbauer aus Kulpin, konnte ich meine Recherche beginnen. In unserem Fall gab das Internet nicht so viel her. Dennoch kann man dort einiges über Jollen-kreuzer nachlesen. Nach einem halben Jahr steten Bemühens konnte ich ein paar schöne Informationen über Gretl zusammentragen. Mein besonderer Dank gilt hier Peter Heycke, der mich mit seinem sehr persönlichen Beitrag zur Gretl-Geschichte beeindruckt hat. Ihm macht es auch nichts aus, wenn ich seine lesenswerten Aufzeichnungen an Dritte zwecks Dokumentation

weiterreiche. In der Zwischenzeit haben mein Freund und Schwiegersohn
Hilmar Linnenkamp und ich die beiden Heyckes, Christel und Peter, auf dem Ratzeburger See kennen gelernt.

Hier nun meine Ergänzungen.

In der Tat, viel war nicht passiert. Nach meinen Recherchen wurde das Boot von Horst Brauer, der aus Hamburg stammt, umgefahren. Auch das Fahrzeug konnte ich identifizieren, es war sein BMW Z4. Horst Brauer hatte seinerzeit mit seinem Segelpartner Wolfgang Silz aus Reinbek, Gretl IV 1993 von besagtem Schuhhändler Frank Müncheberg aus Schwarzenbek gekauft.

Gretl lag zu der Zeit, als wir sie erstanden, im Winter immer neben der Werft von Döhring aufgepallt in einer Halle des Bauernhofes von Waltraut und Walter Willhöft in Siebenbäumen, an der B 208 zwischen Ratzeburg und Bad Oldesloe im Winterlager.

Jedenfalls kauften wir von diesen beiden Hamburger Seglern, Hilmar Linnenkamp und ich in Eignergemeinschaft, das Boot 2001 für 14.500,- Deutsche Mark. Gesehen im Yachthafen Römnitzer Mühle, wo das Boot noch heute liegt. Es war Liebe auf den ersten Blick. Entscheidend für den Kauf von Gretl IV war allerdings Hilmars Frau Ariane, meine Tochter, die uns mit vielen schönen Argumenten davon überzeugte, Gretl zu erwerben. Ihren intensiven Überredungskünsten waren wir zwei einfach nicht gewachsen, ebenso Ihren nachhaltigen Anregungen, ein Boot für die gesamte Familie zu erstehen. Auch meine Frau Ilona konnte sich ihren Ideen nicht mehr verschließen.

Mit dem Kauf dieses Histörchens wussten wir zu jener Zeit wirklich nicht, auf was wir uns da eingelassen hatten. Allen späteren Unkenrufen, der Freunde zum Trotz, doch bitteschön kein altes Holzboot zu kaufen, schlugen wir einfach in den Wind.

1. Refitaktion - 2001 bis 2006

Unser Jollenkreuzer, so fanden wir bereits schnell heraus, war in einem nicht sehr guten Zustand. Vielleicht weniger äußerlich. So kam was kommen musste. Als nicht zu verachtende erste Handlung sollte die Bereitstellung erheblicher monetärer Mittel, die unser beider Geldbeutel nicht unerheblich belastete und weit über den Anschaffungspreis von Gretl hinausging, gesichert werden. Es war im Nachhinein, wie sagt man so schön, eine ausgesprochen teure Refit-Aktion.

In den Folgejahren mussten denn auch zu unserer Überraschung viele Reparaturen in unzähligen Arbeitsstunden und in den darauf abgestimmten Arbeitsschritten unter anderem auch in Eigenleistung ausgeführt werden.
Bei allen Überlegungen und Maßnahmen durfte eines nicht außer Acht gelassen werden: Zwischen uns und Gretl lagen immerhin über tausend Kilometer Autofahrt oder mindestens 10 Stunden harter Pistenarbeit. Aus Bonn und Brüssel kommend, nahmen wir zwei gar manche Unbilden auf uns. Segeln ist halt eben immer nur die eine Seite der Medaille. Eine weitere darf ich an dieser Stelle hinzufügen. Seit vielen Jahren verbringt die Familie ihre Ferien an der Römnitzer Mühle. Wir haben ein kleines Häuschen dauergemietet, damit wir in diesem wunderschönen Biosphärenreservat abseits des Großstadtlärms unsere Ruhe haben. Natur und Boot, intensiver kann kein Familienleben in drei Generationen stattfinden.

Die größeren Reparaturen konnten wir nicht übernehmen. Hierfür haben wir Bootsbauer Karl Heinz Sager aus Kulpin gewinnen können. Er hat immer wieder darauf geachtet, dass keine gravierenden Änderungen an Gretl IV vorgenommen wurden. Und die eine oder andere gute Verbesserungsidee, die wir Blauwassersegler immer wieder ins Spiel brachten, hat er schlichtweg auf norddeutsche Art negiert. Kurzum, das neue Winterlager für Gretl wird bei Familie Sager sein. Bestens geschützt in einer Bootshalle, wo wir zwischen November und März unsere nötigen konservatorischen Arbeiten ausführen können.

Nun, zunächst durften Hilmar und ich die ersten Gehversuche in Sachen Pflege und Renovierung des Jollenkreuzers übernehmen. Es galt das Unterwasserschiff händisch abzuziehen. Diese schweißtreibende und staubige Angelegenheit brachte uns fast zur Verzweiflung. Man sah ja zunächst keine augenfälligen Fortschritte. Lack und Unterbodenschutz aus Jahrzehnten konnte nur mit sehr viel Muskelkraft und einem Stahlabzieher entfernt werden. In die nun sichtbaren Fugen legte Bootsbauer Sager anschließend feine Holzspäne, um Gretl IV dichtzubekommen. An dieses Märchen, kein Wasser mehr in der Bilge zu haben, glaubten wir zunächst. Es stellte sich jedoch sehr schnell heraus, dass der Urheber des übermäßigen Eindringens von Wasser in die Bilge, Undichtigkeiten im Schwertkasten war. Ein Sachverständiger bestätigte uns dies. Nun wurde der alte - und wie sich herausstellte völlig rotte - Schwertkasten entfernt und durch einen neuen und in sich stabileren Schwertkasten ersetzt. Dazu musste das marode Kielschwein an bestimmten Stellen repariert bzw. aufgedoppelt werden. Mit dieser Maßnahme gewannen wir als Zusatznutzen noch etwas mehr Stabilität und Sicherheit hinzu.

Gleichzeitig gaben wir an Spezialist Frank Hainmüller den Auftrag, uns eine neue Ganzpersenning herzustellen, um die Substanz des Bootes zu sichern. Daran anschließend kam das Dach dran. Es wurde mit einer
kompakten Kunststoffschicht, statt des Leinens, versehen. Einziger Stilbruch. Damit war zumindest die Kajüte, welche unter dem Wasser sichtbar gelitten hatte, trocken. Später hat dann der Bootsbauer die gebrochenen Eichenspanten erneuert und die maroden Bodenwrangen durch neue ersetzen müssen, um das Boot wieder in seine ursprüngliche Form zu bringen. Aber auch Mastkoker, Teile des Balkwegers und der Fisch wurden mit unserer Hilfe repariert oder erneuert.

Als weitere Maßnahme wurde der jahrzehnte alte Lack bis auf das blanke Holz Stück für Stück mit einem speziellen Heizgerät abgetragen und danach abgeschliffen. Sowohl innen, als auch außen. Viele weitere Maßnahmen mussten hernach ergriffen werden, damit Gretl IV heuer wieder ein echter Blickfang ist. Und das Besondere: unser Boot ist endlich dicht, soweit man das von einem sehr alten Holzschiff überhaupt sagen kann. Und zwar von oben und unten, von der Vorpiek bis zur Backskiste.

2. Refitaktion - 2007

Mit den Jahren werden aus schönen Spieren unansehnliche Rundhölzer. Im Jahre 2007 haben Hilmar Linnenkamp und ich – neben den üblichen kräftezehrenden jährlichen Pflegearbeiten, die uns beiden immer etwa 14 Tage intensive Arbeit bescheren – uns den Mast, den Gaffelbaum und den Großbaum vorgenommen. Bei Reifen würde man diese Prozedur wohl mit runderneuern umschreiben. Dabei stellte sich heraus, dass der Baum trotz vorangegangener umfangreicher Klebearbeiten dieses Mal nicht mehr zu retten war. Eine neue Spiere musste also her. Hier erwies sich das Lager von Karl Heinz Sager als nahezu unerschöpfliche Fundgrube. Hatte er doch auf seinem Boden noch aus interessanten Nachlässen picea sitchensis einfach so herumliegen. Bei näherem Hinsehen stellte sich heraus, dass das Rundholz aus dem Jahre 1933 stammte. Aus einer Bardenflether Werft mit Namen Winter, die heute nicht mehr existiert. Man kann also davon ausgehen, dass das Spruceholz bei seiner Weiterverarbeitung zum Gretlbaum ziemlich abgelagert war. Nichts deutete darauf hin, wo denn nun Bardenfleth geographisch zuzuordnen wäre. Auch im Autoatlas wird der „Flecken“, aus welchen Gründen auch immer, negiert. Hier half mir der Zufall weiter. Als Mitglied der DGzRS erhalte ich jedes Jahr einen Leistungsbericht. In demselben war der Ort in der Wesermarsch als Produktionsort der Theodor Heuß beschrieben. Die Position: 53° 11` 00 Nord und 008° 29` 00 Ost.

Und was es noch zu sagen gibt

Bei allen unseren Maßnahmen stand uns Bootsbauer Sager mit Rat und Tat zur Seite. Gretl VI, unser gaffelgetakelter Jollenkreuzer, wurde an keiner Stelle verändert. Es wurden nur konservatorische, zeitgemäße Materialien benutzt. Dafür verbürgen wir uns. Darüber hinaus fühlt sich unsere Familie der Jollenkreuzer-Tradition strengstens verpflichtet.

Es scheint wohl so zu sein, als würde Gretl IV die Frauen magisch anziehen. Jedenfalls spielen Sie eine große Rolle in der Vita des Schiffes. Unser R 98, so ist ihm wohl in die Wiege gelegt, soll ein Familienboot bleiben.

Um unserer Segelleidenschaft noch intensiver nachzugehen, haben wir einen Trailer, eigens für unseren 20er Jollenkreuzer, anfertigen lassen, der das Boot auch in andere Gewässer bringen kann.

Zur Bootswerft Berkholz und Gärsch

Aufmerksam geworden durchs Internet habe ich mich mit meinem Sohn Clemens am 30. April 2006 aufgemacht, die untergegangene Werft Berkholz und Gärsch zu suchen. Wir wollten auf dem Müggelseedamm 70-72 fündig werden. Leider waren unsere Befragungen und unsere Spurensuche nicht von Erfolg gekrönt. Denn an beschriebenem Ort befand sich ein modernes Yachtzentrum. Gar so schnell wollte ich aber nicht aufgeben. Eine erste heiße Spur ergab sich durch Vermittlung meines lieben Kollegen Wolfgang Rühmling aus Potsdam. Herzlichen Dank. Nach seiner Recherche lebt der Enkel von Franz Gärsch in Berlin-Dahlem. Erste vorsichtige Telefonate mit Wolfgang Gärsch, heute 67 Jahre jung, zeigten Wirkung. So erfuhr ich, dass die Werft Berkholz und Gärsch 1905 auf dem Müggelseedamm 208 gegründet wurde. 1920 stieg Kompagnon Berkholz aus. Ab da verliert sich seine Spur. Bis 1944 baute Franz Gärsch Boote, spezialisiert auf H-Jollen. In diesem Jahr brannte die Werft bei einem Luftangriff bis auf die Grundmauern nieder und mit ihr alle Konstruktionszeichnungen von fast 40 Jahren. Im gleichen Jahr fällt auch sein Sohn Rudolf Gärsch, begnadeter Konstrukteur und Bootsbauingenieur. Franz Gärsch lässt sich nicht entmutigen und bereits kurze Zeit später baute er sein Geschäft an gleicher Stelle wieder auf. Da der Firmengründer seine Werft nicht für eine Produktionsgenossenschaft hergeben will, verkaufte der nun bereits 84Jährige und immer noch rüstige Franz Gärsch seinen Betrieb an G. Schreiber, VEB Yachtwerft Berlin, Müggelseedamm 70-72 im Jahre 1962. Der Verkauf mag auch daran gelegen haben, dass sein Enkel Wolfgang Gärsch, ebenfalls gelernter Bootsbauingenieur, nur von 1961-1962 im Betrieb tätig war. Er ging 1962 von Friedrichshagen in den Westen und nahm dort ein Studium der Architektur auf. Bis 1992 ist die Werft geführt. Danach gibt es sie nicht mehr.

Einschub Günther Montag Ende.

Meine Frau und ich, wir wünschen der alten Dame GRETL IV noch ein langes Leben und Ihnen, den jetzigen Eignern, persönlich weiterhin viele schöne Stunden an Bord.

Peter Heycke

Lübeck, den 27.04.06

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