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Törnbericht Anita


Törnbericht vom 19.9.2005 bis 27.9 2005


Navigare necesse est oder Segeln auf der Anita


Welch ein schönes Wiedersehen: Alte Liebe. Der Leuchtturm Cuxhavens, erbaut 1802-1803, nicht nur Ausgangspunkt vieler Nordseefischer, sondern einer Segelreise von ebenda nach Oslo. Auch Hort der Erinnerung des Verfassers dieser Zeilen. Ja, die Erinnerung an die Sommerferien in Kuckeshaven, des Ritzebütteler Schleusenpriels in die Elbe. In jenen Jahren als mein Lieblingsonkel Willy als erster Funker auf einem großen Pott der christlichen Handelsmarine, nach verlorenem Krieg geschlagen, anheuerte, Großtante Gertrud, eine atemberaubend schöne Frau, mit mir am Anleger wartete, bis intensiver Geruch nach Dorsch und grünem Hering sich unserer Nasennervenstränge bemächtigte und uns der Oheim mit charmantem Lächeln an die Hand nahm. Es ging sehr geschäftig zu, Anfang 1950, in Deutschlands zweitgrößtem Fischereihafen, als der Hering „Armer-Leute-Essen“ - und Lachs etwas für die Vermögenden war. Zu einer Zeit, als die Deutschen mal gerade eben satt wurden, zu Beginn des Wirtschaftswunders in dieser Republik.

Meine Mutter jedenfalls setzte ihren Sprössling in dieser Zeit mit leichtem Magengrummeln in Bonn in den Schnellzug, der die Fahrgäste im Coupe´ dampfbetrieben, die unglaublich großen roten Räder des Schnellzugs beeindrucken mich noch heute, auf direktem Wege nach Cuxhaven brachte – nicht ohne mich dem Schaffner anzuempfehlen. Meine Tante Tauta, ich konnte Gertrud als ganz kleiner Junge nicht richtig aussprechen, wollte ihren, ich glaube sagen zu dürfen Lieblingsneffen, in den Ferien ein ums andere Mal um sich herum haben. Sie war kinderlos geblieben und ist im letzten Jahr, 96jährig, in unserer Nähe gestorben. Ebenso Onkel Willy, der vor vier Jahren 93-jährig, von uns gegangen ist. Viele Stationen, auch die meines Lebens, verbinde ich mit ihm. Er war ein witziger, intelligenter, wacher und asketisch aussehender Mann. Besonders spannend auch sein Arbeitsfeld wenig später als Fluglotse auf dem Frankfurter Flughafen. Mit Bewunderung und Stolz durfte ich meinen Freunden berichten, wenn zum Beispiel die viermotorige Convair oder die ebenso große Superconstellation vom Flugfeld abhob, ich mit ihm im Tower, mucksmäuschenstill, saß. Heute undenkbar. 1955 noch möglich.

Meine örtliche Erinnerung an jene Zeit ist mir nicht mehr erinnerlich. Und doch schlug mein Herz in freudiger Erwartung bis zum Halse, als ich mit Margitta, Ralf, Michael und Gerd am Morgen des 20. August 2005 just im Industriehafen auf Anita kam, Anita, welch ein Klang. Vorher hatte uns Ralf bei Michael in der Frühe aufgelesen und sicher-entspannt nach Cuxhaven chauffiert. Da lag sie nun in ihrer ganzen Schönheit, fast 22 Meter vor mir ausgebreitet. Neue Liebe zur alten Liebe? Sicher!

Nach allgemeiner Begrüßung galt es zunächst einmal das schöne Schiff in Besitz zu nehmen. Gedanklich, zurückgenommen. Darf ich vorstellen: Margitta Schlensorg, Mechthild Hollstein, Michael Hunsdiek, Erich Haider, Gerd Peters, Ralf Gorny, Tilo Klesper, Lothar Gerhardt, Heinz Schäfer, Hans-Jürgen Neumann, die Besatzung also, mit starken Persönlichkeiten und sympathischer Ausstrahlung.

Die Könner und Kenner auf der Anita, mich Paladin ausgenommen, wollten nur noch EINKLARIEREN, was später wohl beim AUSKLARIEREN helfen soll. Jedenfalls hat dies in aller Regel etwas mit den jeweiligen Hafenbehörden zu tun. Mein unmaßgebliches Statement hierzu: vergesst es, funktioniert fast nie, da jede gute Behörde unseres ordentlichen Landes andere Papiere verlangt, als man gerade dabei hat. Dies ist so, wie als wenn der Führerschein abhanden gekommen ist und neu beantragt werden muss. Habt ihr das, liebe Segelfreundinnen und Segelfreunde schon mal versucht? Gut, dann wisst ihr ja Bescheid.

Vollends ins Staunen kam ich, als Smut Margitta und der starke Zahlen-Heinz anfingen, für die Besatzung Lebensmittel zu bunkern. Was da alles in den tiefsten Tiefen der Anita verschwand: unglaublich, diese Mengen! Freunde, Chapeau claque.

Emsiges Treiben unter Deck, Reparaturen außen herum. Sehr gewissenhaft stellte sich Skipper Michael in den Dienst der Mannschaft und kontrollierte alles und jedes. Kleine Reparaturen wurden im Laufe des Tages ausgeführt und die einzelnen Arbeiten akribisch ins Logbuch eingetragen. Skipper, Wachführer und die, die meinen, etwas sagen zu müssen oder aufschreiben zu sollen, bemächtigen sich immer wieder des Logbuchs, um lyrisch oder prosaisch verpackt, Eintragungen über nicht konformgehende Mitsegler vorzunehmen, die dann später unaufgefordert ans Seeschifffahrtsgericht weitergeleitet werden. Dies soll der Seemannschaft dienen, wie man mir versucht hat, glaubhaft zu versichern. Jedenfalls ging der Samstag bei recht unfeinem Wetter dahin. Am Abend setzte man sich in einem Fischrestaurant zusammen, um sich kennenzulernen. Ein fröhlicher und die Zungen lösender Einstieg in unseren bevorstehenden Törn war gegeben.

Der Sonntag mochte nun kommen und somit zunächst einmal der Vorgang des Schleusens unter Zuhilfenahme des Anitadingis. Unter der standfesten Anweisung Michaels brachte Ralf unser Segelboot sicher in den Vorhafen. Unter kundiger Anleitung waren die Segel schnell gesetzt und bei ablaufendem Wasser ging es gleich raus auf die Nordsee.

Es ist immer wieder beruhigend zu wissen, dass den Deichen vorgebaut sogenannte Leitdämme – für unmittelbar Betroffene auch Leiddämme - für sehr viel Sicherheit sorgen. Es gibt einem ein beruhigendes Gefühl. Aber wie, so hab ich mich im nachhinein gefragt, kann man die treffen. Wir haben es jedenfalls unter schwierigsten Umständen geschafft. Als Rudergänger habe ich mich natürlich furchtbar darüber erschrocken. In sekundenschnelle liefen bei mir die Szenen ab, die man in den Jahresheften der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger sieht. Sollte hier eine Notsituation ob des kleinen Rumplers entstanden sein? Mit beruhigendem Blick auf das Seebad Cuxhaven war mit einer solchen nicht zu rechnen. Sie ist erst dann gegeben, wenn sich mehrere Personen auf einem schwimmenden Gegenstand deswegen aufhalten, weil die Wassertiefe auch den größten nicht erlaubt, zu stehen und den Kopf über Wasser zu haben.

Nun muss ich aber zu unserer Ehrenrettung sagen, dass am Kopf des Dammes zwei Pricken dorthin gelangt sind, wo sie eigentlich nichts zu suchen haben, was uns die Küstenwache, an die wir einen Obolus in Höhe von 15 Euro sponsern durften – man mag es auch Geld entern nennen - später bestätigte. Sollte es sich hier gar um eine moderne Art der Piraterie gehandelt haben? Sirenen, ich höre euch heulen. Ihr hättet mal sehen sollen, wie Michael in der Folge den Alkoholtest bestanden hat. Die Einwände, die ihr, liebe Segelfreunde am Rande des Verkehrstrennungsgebietes jetzt bei mir loswerden wollt, sind selbst mir hinlänglich bekannt. Hebt es auf für einen Klönschnack im Forum für Besserwisser. Jedenfalls schnell geschaltet hat gleich Michael. Er schaute sofort in die Bilge, ob alles in Ordnung war und ließ Hans-Jürgen den Funkkontakt zur DGzRS herstellen. Binnen weniger Minuten war Seenotrettungskreuzer Hermann Helms zur Stelle und zog uns mit einer unglaublichen Leichtigkeit ins ausreichend tiefe Wasser. Nicht verwunderlich, immerhin schaffen 3200 Turbodieselpferdestärken selbst die lahmste Mähre von der Stelle. Seine 23 Knoten mussten für uns gottlob nicht ausgefahren werden. Hernach große Erleichterung an Bord. Alles war noch einmal gutgegangen und die Rettungsmänner mit großzügiger Alimentation nach Cuxhaven entlassen. Spätestens ab hier begann für mich ein einmaliger Segeltörn. Ein Jahr durfte ich träumen und endlich war es soweit.

„Bewahre...-...Die himmlischen Wolken sind`s, der Müßigen göttlichen Mächte...“ Aristophanes.

Jedenfalls trugen uns Strom Wind und Wellen aufkreuzend an Helgoland vorbei. Wir hätten uns gerne Wind aus Südwest gewünscht. War aber nicht. Die erste Nacht und dann der zweite Tag auf See. Nach allem Grau nun Wolken, schweifend in der oberen Luft umher, schnell treten Sie zusammen, sind manchmal ineinander verhängt, obwohl in loser Verbindung. Nun Höhe Esbjerg. Neben allen Arbeiten, die die Crew aus meiner Erinnerung mit Freuden erledigten, frage ich mich, wie denn der Himmel ausgesehen haben mag, als ich jung war zur Sommerzeit am Meer, sowohl nach dem Sonnenuntergang als auch tagsüber. Ich dachte auch an die vielen Wolkenbezeichnungen bis mir beim Schreiben dieser kleinen Abhandlung aus einem alten Büchlein die Wolkenklassifikation der Pfälzischen Meteorologischen Gesellschaft zur Pflege der Wetterkunde in die Hand fiel, eingedenk der räumlichen Nähe zur SKO. Ich notiere in Auszügen: a – Weiße Wolken, cin – Graue Wolken, n – Dunkle Wolken, t – Dünne Wolken, sp – Dicke Wolken, rup – Felsenähnliche Wolken, lact – Milchige linsenförmige Wolken. Soweit unsere Vorvorderen. Hat doch was. Oder?

So eilten wir nun an der Westküste Dänemarks dahin. Unaufhaltsam. Meine Freunde, die Menschen haben sich seit jeher mit den Wolken beschäftigt. Und ich glaube daran, dass sie uns immer eine Geschichte erzählen wollen. Nur, leider sind sie schwer zu lesen. Was sie auszeichnet ist: Sie verlieren nur wenig von ihrem Geheimnis und gar nichts von ihrer Majestät. Haben wir es nicht erlebt und auf Deck sinniert: Wolken erlauben uns das Tagträumen wenn wir dem Müßiggang nachgehen. Unsere Freude und Achtung für sie geht uns nie verloren. Da beißt der Kachelmann und das Wetterfax keinen Faden ab.

„Was liebst du denn, seltsamer Fremdling? Ich liebe die Wolken...die vorüberziehen...dort...dort...und dort, die wunderbaren Wolken.“ Charles Baudelaire. Teilen wir seine Freude mit ihnen. Und unsere Freude mit ihm.

Das erste Mal bin ich mit einer solch großen Crew gesegelt. Hinzu kam die räumliche Enge. Ich erfuhr sogleich, dass das Lümmel-Lager eines Segelbootes der bevorzugte Schlafplatz des Skippers ist, was mir, Gott sei Dank, den Platz in Michaels Koje einbrachte. Vorbehaltlos bin ich nicht an Bord gegangen, was der eine oder andere Mitsegler sicher anfangs gemerkt hat. Andererseits hatte ich die Möglichkeit, diesem Törn ganz neue Erfahrungen abzugewinnen. Was machst du nämlich mit deiner Zeit, die dir trotz aller Arbeiten an Bord zur Genüge bleibt? Richtig: nachdenken! Ich stellte mir unter anderem die Frage, was gewinnt man mit einer solchen Fahrt. Die Ausübung eines strengen Pflichtgefühls, das dauernd eingeübt wird? Mit einen Tagesplan, der viel fordert durch gewissenhaftes navigieren? Durch Ruderwachen, Ausguckverhalten? Meine Schlussfolgerungen: Wir gewinnen auf jeden Fall eine bemerkenswerte Freundschaft. Seebeine mögen vielleicht auch anderswo wachsen. Aber nichts schärft die Sinne für die Erscheinungsformen der Natur so, wie ein Segeltörn, in dem die Crew Hand in Hand arbeitet, ja arbeiten muss. Man erfährt, wie kostbar die Zeit ist, dass es in unserer Hand liegt, wie wir diese Kostbarkeit behandeln. Zeitpläne, Termine bestimmen unseren Alltag. Wir fügen uns ihnen, müssen uns ihnen fügen. Auf See ist das anders. Beim Segeln richten wir unser Augenmerk auf die Sonne, den Wind, die Wolken. Wir passen uns ihnen an, werden mit ihnen ein Teil des Ganzen. Die Tageszeiten gehen ineinander über, die Nacht steht gleichberechtigt neben dem Tag. Ein traumhaft schönes Erlebnis war es, wenn der Mond am Himmel aufgestiegen war und nirgends verweilen wollte. Diese friedliche Stille, wenn am Morgen die Sonne aufging und den nun fahler werdenden Mond, in Begleitung einiger Sterne, zur Ruhe schickte. Wir haben im Skagerrak erfahren dürfen, welch elementare Beziehungen sich aus diesem Zusammenspiel der Naturkräfte ergeben, im Sturm, wo wir auf uns selbst zurückgeworfen worden sind. Niemand von uns hat zunächst nach außen hin preisgeben wollen, wie ihn die Unbilden der Nacht beeindruckt haben. Erst am Tage lösten sich ganz allmählich die Zungen und die eine oder andere marginale Bemerkung hätte es verdient gehabt, aufgeschrieben zu werden. Mir hat es gefallen, für diese ganz kurze Zeit nicht dem Flüchtigen zu genügen.

„Und über uns im schönen Sommerhimmel – War eine Wolke, die ich lange sah – Sie war sehr weiß und ungeheuer oben – Und als ich aufsah, war sie nimmer da.“ Berthold Brecht

Die Wachen funktionierten, wenn ich so sagen darf ausgezeichnet. Michael hatte im nachhinein sicher eine glückliche Hand mit der Zusammensetzung der Teams. Ich wage zu behaupten, dass mit zunehmender Segeldauer das Miteinander immer besser wurde. In unserer Wache und darüber hinaus, um nur ein Beispiel zu nennen, war Elder Enrico sicher die Persönlichkeit an Bord. Er konnte mit Pfunden wuchern, die mir bisher verschlossen geblieben waren. Während die Herren aller Reusen beliebig sind und immer sein werden, gab es in der Ponde Rosa, nur ein Unikat. Wenn wir zwei, Lothar und ich auch nicht nach der Musik des Generators tanzen wollten – wir sind nämlich ziemlich humorlos – so hatten wir doch unseren kleinen Spaß, sozusagen nach innen gerichtet. Und wenn wir die Brosamen unserer Vorgängercrews aufsammeln durften, waren wirs schon recht zufrieden. Mit den Worten, Chefe, was können wir nun noch verkehrt machen, warb Lothar ein ums andere Mal um Unterstützung beim „Alten“.

Gestattet mir noch eine kleine Anmerkung zur Ponde Rosa. Während des gesamten Törn hat Gerd versucht mir zu erklären, dass es auf einem Schiff, wie der Anita, keine Kuchenbude oder Ponde Rosa gäbe. Diese Ausdrucksweise sei unseemännisch. Vielmehr müsse es heißen Unterstellstand. Pragmatisch, oder? Er erklärte mir auch, was schamfielen bedeutet. Es ist ein seemännischer Ausdruck für jemanden, der leicht verletzt ist und wo wir aus Schamgefühl nicht verraten dürfen, wo.

Ich denke, als Verfasser dieses kleinen Berichtes, steht mir noch eine kleine Anmerkung zu: „Enrico, deine beiden Zivilisten haben viel von dir gelernt und es hat uns riesigen Spaß bereitet, mit dir auf der Anita gesegelt zu sein.

Nun, in einem großen Orchester darf die Triangel nicht fehlen. Dieses unglaublich genaue Pling, auf den Punkt zu Gehör gebracht, obwohl doch eigentlich alle unter uns, liebe Kammermusiker, jeder auf den falschen Einsatz des Interpreten im großen sinfonischen Gefüge wartet, in dem dennoch der Bediener dieses Instruments unentbehrlich ist. Aber habt ihr Freunde des eleganten Segelsports schon mal was von Triangelsegeln gehört? Nicht? Aber ja doch, so geschehen südlich Hirtshals. Und wie? Zunächst topfebene See, kein Wind aber Strömung, die uns in alle Richtungen trug, nur nicht dahin, wohin wir segeln wollten. Wir haben unseren Kurs später in die Seemannssprache übersetzt und unser ungewolltes Manöver Kursdreieckssegeln genannt. Jedenfalls hielt uns diese enervierende Prozedur geschlagene drei Stunden gefangen. Dann aber brach, wie vorausgesehen, ein richtiges Unwetter über uns herein. Tilo hatte dabei nichts anderes im Sinn, die untere Seereling durchs Wasser zu ziehen. Später wurden wir noch besser und die zweite Seereling war zum Testen reif. Großartig Tilo. Bei diesen Wetterkapriolen bewies Margitta ihr ganzes Können. Je rauher die See, desto umfangreicher die Menüfolge. Unglaublich. Zauberei. Hexerei? Ganz nebenbei hatte das Mädchen alle Knaben im Griff.

Mit den Tagen auf See verliert man jedes Gefühl für Raum und Zeit. Du denkst nur noch in Begebenheiten. Und so hatten wir uns schlussendlich an die Nordspitze Dänemarks herangearbeitet, bei stetig zunehmenden achterlichen Wind, der uns dazu zwang, Schmetterling zu segeln. Der Bullenstander war dann schnell gesetzt. Dieser Begriff ist nicht der Vulgärsprache entlehnt, manchmal werden halt eben in der Seemannssprache auch Begriffe aus der Landwirtschaft gebraucht. Nun, kraftvolle germanische Tampenhalter, werdet also nicht neidisch.

Mitten in der Nacht dann, im Skagerrak, unsanftes Wecken durch Mechthild. Was war passiert? Draußen sahen wir dann die Bescherung. Auf die kurze Formel gebracht: Aus eins mach zwei oder aus 76 mach 38, bevor es ein Tripel wird. Wir entschlossen uns, dann doch mit einer Genua weiterzufahren. Also Segel wechseln, nass werden und wieder ab in die Kojen. Brrr. In jener Nacht hatte das Team um Enrico die sogenannte Hundewache. Mein Gott, wurde das eine Rauschefahrt. Über Grund ein ums andere Mal an die 13 Knoten und das nur mit einem Vorsegel. Es ist ein unglaubliches Gefühl, wenn die Riesenfähren, regelrechte Lichterketten, so wir uns im Wellental befanden, plötzlich von der Bildfläche verschwanden, wenn sich die Wellen hinter uns meterhoch auftürmten, wenn wir von der Seite geduscht wurden. Ich werde dieses Erlebnis nicht mehr vergessen. So rauschten wir in den Oslofjord. Bei dickem Wetter und halben Wind. Leider war es uns nicht möglich, die bezaubernde Landschaft mit den Augen, geschweige denn auf Zelluloid oder Digital einzufangen. Bis zum Anleger, der vorher genau besprochen wurde, sodass jeder wusste, was zu tun war, regnete es in Strömen. Unser Skipper brachte die Anita, umsichtig und exzellent manövriert von Mechthild, sicher an den Steg. Bravo Mechthild.


Nachtrag

Der Oslofjord reicht vom Skagerrak bis zur Stadt Oslo und ist gut 100 Kilometer lang. Seine größte Breite beträgt 20 Kilometer. Er ist 360 Meter tief und in der Enge von Drobak, als tektonischer Graben entstanden, gute 3000 m. Oslo ist mit seinen 450.000 Einwohnern eine quicklebendige Stadt. Man sieht ihr nicht an, dass sie fast 600m über dem Meer liegt und man für ein Bier 12 Euro hinblättern muss, dafür aber bereits für 30 Euro eine einfache Pizza bekommt. Am Rande sei vermerkt: Über 450 Seemeilen haben wir geschafft. Für eine kurze Zeit verfügte Oslo über den längsten Wäschetrockner im Hafen und danach über den schönsten Segler. Dass das Ölzeug sozusagen der Blaumann der Segler ist, mag eine Binsenweisheit sein. Dass aber Schatzmeister Heinz munter den Geldeintreiber spielte, hatte sich sehr schnell herausgestellt. Hans-Jürgen hat uns mit sehr viel Einfühlungsvermögen in das Handwerk des Segelns begleitet und Ralf den Oscar für Dingibegleitung bekommen. Tilo hat als einziger Karriere gemacht und sich zum Bevollmächtigten aller Winschen heraufgearbeitet. Als Kachelmann der Zweite und Wesp von Himmelsgnaden, durfte sich Enrico empfehlen. Michael verlieh Margitta zum bereits verdienten Kochlöffel die weiße Mütze. Auch Lothar wurde für seine nie enden wollenden, zu jeder Zeit passenden Fragen besonders ausgezeichnet. Mechthild bekam für die Bewachung der Truppe das Eiserne Kreuz. Und nicht zuletzt Gerd. Er musste Michael in der Hand versprechen, als nächstes den Hochseeschifferschein anzugehen.

Zwei volle Tage bei herrlichem Wetter hatten wir die Gelegenheit Oslo auf eigene Faust oder in Gruppen kennenzulernen. Wir haben davon mit Freuden Gebrauch gemacht.

Günther Montag, im September 2005
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